30. April 2025

Pferdequal für Schweinefleisch: Neue Recherche enthüllt systematische Pferdequälereien in isländischer PMSG-Produktion

Die Animal Welfare Foundation (AWF) und ihre Schweizer Partnerorganisation Tierschutzbund Zürich (TSB) haben bei ihrer jüngsten Recherche in Island zum wiederholten Mal massive Tierquälereien aufgedeckt. Für die Herstellung des Fruchtbarkeitshormons PMSG leiden tausende Stuten, die für ihr Blut ausgebeutet werden, auf isländischen Farmen. Obwohl es zahlreiche Alternativen für PMSG gibt, wird das Hormon in der industriellen Schweinezucht noch immer großflächig eingesetzt – auch in Deutschland. Die Organisationen fordern ein PMSG-Verbot. 

Seit 2019 dokumentieren AWF und TSB die grausamen Praktiken auf sogenannten Blutfarmen in Island. Als einziges Land in Europa produziert Island das Fruchtbarkeitshormon PMSG (Pregnant Mare Serum Gonadotropin, auch bekannt unter dem Namen equines Choriongonadotropin oder eCG), das aus dem Blut trächtiger Stuten gewonnen wird. Über 4200 Islandstuten werden dort auf etwa 90 Blutfarmen gehalten und für ihr Blut ausgenutzt. Insgesamt wurden ihnen vergangenes Jahr 25.500-mal fünf Liter Blut abgezapft. 

Neue Aufnahmen vom September 2024 belegen, dass die Gewinnung von PMSG tierquälerisch ist: Die halbwilden Stuten sind während des Blutentnahmeprozesses massivem Stress und Schmerzen ausgesetzt. Die Aufnahmen der beiden Organisationen zeigen, wie die Tiere geschlagen, mit Stöcken und Brettern gestoßen und unter Gewaltanwendung fixiert werden. Die Verantwortlichen binden die Köpfe der Stuten in unnatürlichen Positionen hoch, was zu erhöhten Verletzungsrisiken führt, und stochern teilweise minutenlang mit einer 5 Millimeter dicken Kanüle in den Venen herum. Viele Stuten zeigen massive Abwehrreaktionen oder verfallen in einen apathischen Zustand, „erlernte Hilflosigkeit“ genannt.

„Die Blutentnahmen finden wöchentlich statt über einen Zeitraum von acht Wochen in der frühen Trächtigkeit. Dabei werden den Stuten jeweils fünf Liter Blut abgezapft – ein Volumen, das weit über internationalen Standards liegt. Die Belastung der Stuten ist dreifach: Sie haben ein Fohlen und einen Fötus zu versorgen sowie ihren Blutverlust auszugleichen“, sagt Sabrina Gurtner, Projektleiterin bei AWF und TSB. 

Sind die Stuten nicht trächtig, befindet sich kein PMSG in ihrem Blut. Deshalb sind auch die Fohlen der Blutstuten Opfer des Blutgeschäfts. Viele werden während der Blutentnahme von ihren Müttern getrennt und geraten in Panik. Für derart viele Fohlen gibt es keine Nachfrage. Die meisten landen als „Nebenprodukt“ der PMSG-Produktion im Schlachthof.

Deutschland als Großimporteur von PMSG

PMSG wird vor allem in der industriellen Schweinezucht eingesetzt, um Geburten zu synchronisieren und für die weiteren Schritte bis zum Schlachthof zu takten. Das kann auch anders erreicht werden: Tiergerechtere Haltung und Stallmanagement erfüllen denselben Zweck. 

Deutschland ist der mit Abstand größte Importeur von isländischem PMSG. Die Pharmakonzerne MSD/Intervet und CEVA Tiergesundheit vertreiben Präparate mit dem Hormon auf dem deutschen und internationalen Markt. Beide Unternehmen wissen seit Jahren über die Missstände auf isländischen Blutfarmen Bescheid, führen das Qualhormon jedoch trotzdem weiterhin ein. Sie verlassen sich auf die Aussage ihres Lieferanten Isteka, dass es sich um Einzelfälle handelt. 

Isteka: Einzelfälle oder systematische Missstände?

Das isländische Pharmaunternehmen Isteka produziert als einziges europäisches Unternehmen PMSG. Es erzielte 2024 mit dem Hormon einen Exportertrag von 11,5 Millionen Euro. Das ist der höchste Umsatz in der Unternehmensgeschichte. 

Das Unternehmen hat in der Vergangenheit wiederholt behauptet, es handle sich bei den von AWF und TSB dokumentierten Stuten-Quälereien um Einzelfälle. Die neuesten Enthüllungen zeigen jedoch, dass die grausame Behandlung der Tiere System hat. AWF und TSB haben im September 2024 bei allen sechs zufällig ausgewählten Blutfarmen Misshandlungen dokumentiert. 

Isteka-Veterinäre führen die Blutentnahmen durch. Doch statt Stress, Panik und Schmerzen zu unterbinden, sind sie oft an der Tierquälerei beteiligt oder sehen weg. Seit Jahren verspricht das Pharmaunternehmen Verbesserungen – und doch zeigen sich Jahr für Jahr dieselben Probleme. „Nach über 40 Jahren Blutgeschäft sollte Isteka gelernt haben, dass man halbwilden Pferden nicht gewaltfrei Blut abzapfen kann“, so Sabrina Gurtner. 

Die aktuelle Genehmigung für Blutentnahmen von Isteka läuft im Herbst 2025 aus. Da die Blutentnahmen dort seit Neuem in der Tierversuchsverordnung geregelt werden müssen und sie die Voraussetzungen für Tierversuche nicht erfüllen, besteht die einmalige Chance, dass das Blutgeschäft keine neue Genehmigung bekommt. Dafür kämpfen AWF und TSB zusammen mit internationalen und isländischen Nichtregierungsorganisationen. 

Forderung nach gesetzlichem Verbot in Deutschland

AWF und TSB fordern ein PMSG-Verbot in Deutschland. Die Organisationen haben bereits 2022, gemeinsam mit dem Deutschen Tierschutzbund, das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft aufgefordert, die Gewinnung, den Import und die Anwendung von PMSG zu verbieten. Diese Forderung wird von mehreren deutschen Veterinärverbänden unterstützt. Die Bundestierärztekammer BTK etwa empfiehlt deutschen Tierärzt:innen, „auf den Einsatz von natürlichem PMSG/eCG in der Ferkelerzeugung möglichst zu verzichten“. 

Es ist wichtig, dass Deutschland seinen Beitrag leistet, damit dieses tierquälerisch hergestellte Hormon, für das zahlreiche Alternativen existieren, endlich nicht mehr eingesetzt wird. Als Großimporteur hat es Deutschland in der Hand, dem Leid tausender Blutstuten in Island ein Ende zu setzen. 

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