22. September 2023

Island beendet Sonderregelung für Blutgeschäft und beugt sich EWR-Recht

Pressemitteilung Vorschau Seite 1/2

EFTA fordert die Einhaltung der EWR-Tierschutzbestimmungen

Zürich, Freiburg, 22.09.2023. Die isländische Regierung hat auf das Mahnschreiben der EFTA-Überwachungsbehörde (ESA) mit dem Widerruf der bisherigen „Blutfarm-Verordnung“ reagiert. Die Verordnung wurde im August 2022 für drei Jahre erlassen. Ihr jähes Ende kommt jedoch nicht überraschend. „Das Blutgeschäft in Island verstößt gegen EWR-Recht. Nach diesem müsste die Blutentnahme von trächtigen Stuten als Tierversuch beantragt und genehmigt werden“, erklärt Sabrina Gurtner, Projektleiterin der Animal Welfare Foundation (AWF). Tierversuche unterliegen wesentlich strengeren Auflagen als die bestehende „Blutfarm-Verordnung“. Anlass für das Vorgehen der ESA waren AWF|TSB-Recherchen über Blutfarmen in Island, in welchen trächtigen Stuten große Mengen Blut abgenommen werden, für die Gewinnung des Fruchtbarkeitshormons PMSG.

Die von der isländischen Regierung erlassene „Blutfarm-Verordnung“ hat nach einhelliger Auffassung von Juristen in Island und der EU gegen geltende EU-Richtlinien verstoßen. Nach einer Beschwerde von 17 NGOs wurde die ESA erstmals im Mai 2022 aktiv und forderte die isländische Regierung zu einer Stellungnahme auf. Statt die Fragen der ESA zu beantworten, erließ die Regierung im August 2022 eine „Blutfarm-Verordnung“, die das Blutgeschäft der Blutfarmer und des Pharmaunternehmens Isteka legalisierte. Im Mai 2023 schickte die ESA ein Mahnschreiben hinterher mit der Ankündigung eines Vertragsverletzungsverfahrens. „Im allerletzten Moment und nach Ende der diesjährigen Blutsaison reagiert die Regierung und zieht ihre umstrittene Blutfarm-Verordnung zurück“, kritisiert Sabrina Gurtner. Ab erstem November 2023 soll die im EWR-Raum geltende EU-Richtlinie 2010/63 zum Schutz der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere gelten. Rechtlich gesehen werden Blutentnahmen zur Herstellung von Arzneimitteln als Tierversuche eingestuft. Als Mitglied der EFTA (Europäischen Freihandelsassoziation) muss Island die Vorschriften des EWR befolgen.
„Die EU-Richtlinie schreibt vor, dass Tiere nur dort für wissenschaftliche Zwecke und die Produktion von Arzneimitteln eingesetzt werden dürfen, wo es keine Alternativen gibt“, erklärt Sabrina Gurtner. „Die Blutfarmen haben keine Berechtigung mehr, denn es gibt zahlreiche Alternativen für den Einsatz von PMSG durch hormonfreie Methoden oder synthetische Präparate.“

Die EU-Richtlinie 2010/63 gibt zudem vor, dass der Einsatz von Tieren für wissenschaftliche Zwecke reduziert werden muss mit dem Ziel, dass letztendlich keine Tiere mehr eingesetzt werden. So darf kein Mitgliedsland des EWR derartige Projekte wie Blutentnahmen genehmigen, bevor eine umfassende Projektbeurteilung stattgefunden hat, um den Einsatz und das Leiden der Tiere auf ein Mindestmass zu reduzieren und wo immer möglich zu vermeiden.
Die isländische „Blutfarm-Verordnung“ gestattete unter anderem Globalgenehmigungen. Das widerspricht ebenfalls der EU-Richtlinie. Diese fordert, dass jeder Teilnehmer am Prozess, wie z. B. die Züchter, ebenfalls die Bedingungen der EU-Richtlinie 2010/63 erfüllen muss.

„Ob sich alle Teilnehmer dieser umfassenden Prüfung unterziehen werden, vor allem auf Seiten der Blutfarmer, ist zu bezweifeln,“ vermutet Sabrina Gurtner. „Wir hoffen, dass mit diesem Schritt das Ende der Blutfarmen in Island naht.“
Das PMSG-Hormon wird zur Steigerung und Steuerung der Fruchtbarkeit bei Nutztieren eingesetzt. Um es zu gewinnen, wird trächtigen Stuten fünf Liter Blut pro Woche über zwei Monate abgenommen. Diese Menge entspricht rund 15-20 % ihres Blutvolumens. Hierzu werden die halbwilden Pferde zusammengetrieben, mit Gewalt in Blutentnahmeboxen fixiert und ihr Kopf unnatürlich nach oben gebunden, damit das Blut schneller in die Kanister fließt.

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