12. März 2025

Behördenversagen: Tausende Tiere müssen wegen Motorschaden über zwei Wochen auf See ausharren

Der Frachter "Express M" (vorne) ist kein unbeschriebenes Blatt. Immer wieder hat er massive Probleme. Das Bild stammt von 2021, damals fuhr das Schiff noch unter dem Namen "Atlantic M".

Erneuter schwerer Fall von Tierquälerei auf hoher See und massives Behördenversagen: Wegen eines defekten Schiffsmotors waren 2400 Rinder und 460 Schafe über zwei Wochen lang auf dem Meer unterwegs – auf einer Strecke, für die normalerweise nur 5 bis 6 Tage benötigt werden. Die Tiere, die am 22. Februar in Rumänien an Bord gegangen waren, erreichten ihr Ziel in Israel erst am Sonntagabend, 9. März. Und dies in katastrophalem Zustand, wie Tierschützer:innen aus Israel berichten:  

“Es ist schon eine Weile her, dass wir Tiere in einem so schlechten Zustand gesehen und gerochen haben”, sagt Yaron Lapidot von Israel Against Live Shipments. “Die Tiere waren über und über mit Fäkalien beschmiert und sahen elend und gebrochen aus.”  

Chaosfahrt wird zur Qual für die Tiere 

Die Chaosfahrt der „Express M“ nahm am 22. Februar ihren Lauf. Am frühen Nachmittag legte das Frachtschiff am Hafen Midia in Rumänien ab mit Ziel Haifa in Israel. Wie die Bewegungsdaten zeigen, hielt es jedoch bereits kurz nach der Abfahrt an und blieb bis am 25. Februar vor Anker, bevor es seine Fahrt mit einer ungewöhnlich langsamen Fahrtgeschwindigkeit von 3 bis 4 Knoten fortsetzte. Zum Vergleich: Die normale Betriebsgeschwindigkeit des Frachters liegt bei rund 10 Knoten. 

Wie die rumänischen Behörden angaben, hatte das Schiff wegen mechanischer Probleme mit einem Motorausfall zu kämpfen. Die Crew wurde angewiesen, nach Rumänien zurückzukehren, um mehr Futter zu laden. Die Transporteure setzten sich über diese Anweisung hinweg und fuhren mit sehr langsamer Geschwindigkeit weiter. Nachdem sie den Bosporus durchquert hatten, ankerten sie am 28. Februar in der Nähe von Istanbul erneut. Dort näherten sich zwei kleine Schiffe, die offenbar zusätzliches Futter an Bord brachten, dem Frachter, bevor er seine Reise am 3. März fortsetzte. 

Die Tiere erreichten den Hafen von Haifa schließlich am Sonntag, 9. März, um 17.20 Uhr Lokalzeit – nach 15 Tagen, 2 Stunden und 25 Minuten. Damit waren die Tiere rund zehn Tage länger an Bord als geplant! 

Tiere in schlechtem Zustand

Videoaufnahmen der Tierschützer:innen zeigen, wie die Tiere vom Schiff aus- und auf israelische Lastwagen umgeladen werden. Auf Nahaufnahmen von einem Lastwagen vor Ort ist zu sehen, dass die Tiere massiv verschmutzt und ihre Augen weit aufgerissen sind. Ihr ganzer Körper ist mit Exkrementen verklebt. Manche leiden an Atemwegsbeschwerden, wie man an schleimigem Ausfluss aus Mund und Nase erkennt. Dies ist ein häufiges Phänomen, wenn Tiere über lange Zeit bei schlechter Ventilation einer hohen Ammoniakkonzentration ausgesetzt sind. 

Nicht alle Tiere haben die Horror-Fahrt überstanden. Laut den rumänischen Behörden lag die Sterberate bei “weniger als 0,5 Prozent”. Doch jedes tote Tier ist eines zu viel! Tiere sind fühlende Wesen, die Schmerz spüren, sie sollten nicht qualvoll sterben müssen, weil die Behörden versagt haben. 

Tiertransporte auf See: Systematische Grausamkeiten

Leider ist das jüngste Vorkommnis kein Einzelfall. Immer wieder dokumentieren wir massive Probleme bei Tiertransporten auf dem Meer. Tiere, die wochenlang in ihren eigenen Exkrementen stehen müssen, sich nicht hinlegen und kaum bewegen können, Hunger und Durst leiden. Tote oder schwer verletzte Tiere, die über Bord geworfen und später an Strände angespült werden, Gülle, die ins Meer abgelassen wird, marode Schiffe, auf denen weder die Tiere noch die Besatzung sicher sind. 

Dieser jüngste Vorfall macht erneut deutlich, wie riskant Seereisen sind und warum sie verboten gehören. Sobald die Tiere die Europäischen Küsten verlassen, können wir ihre Sicherheit nicht mehr garantieren. Es ist deshalb zwingend nötig, dass die EU Exporte von lebenden Tieren auf See im Rahmen der laufenden Überarbeitung der Tiertransportverordnung abschafft. 

EU-Kommission um Stellungnahme gebeten  

Zusammen mit 18 weiteren Tierschutzorganisationen haben wir den für Tierschutz zuständigen EU-Kommissar Olivér Várhelyi aufgefordert, sich unverzüglich mit den rumänischen Behörden in Verbindung zu setzen und dem Schiff “Express M” die Betriebserlaubnis zu entziehen. Besonders brisant: Auf Anfrage konnten die rumänischen Behörden nicht einmal eine Kopie der Betriebslizenz von “Express M” vorweisen. Eine solche wird dringend benötigt, um Tiere zu transportieren.  

Rumänien soll erklären, warum der Frachter nicht verpflichtet wurde, in den Hafen von Midia zurückzukehren, als er kurz nach dem Auslaufen einen Motorschaden erlitt. Die Fahrt fortzusetzen, obwohl es offensichtlich ernsthafte Probleme gab, war fahrlässig. Ein solches Szenario darf sich auf keinen Fall wiederholen.  

„Express M“ mit zahlreichen Sicherheitsproblemen 

Das bereits 1983 gebaute Schiff „Express M“ ist in der Vergangenheit immer wieder negativ aufgefallen. 2009 wurde es in Falmouth (Vereinigtes Königreich), 2018 in Tarragona (Spanien), 2020 in Sines (Portugal) und Waterford (Irland) sowie erst im Dezember 2024 erneut in Sines festgehalten. Die Gründe sind vielfältig. Unter anderem bemängelten die zuständigen Kontrollbehörden mehrfach die Schiffssicherheit, den Bau, die Navigation, die internationale Gefahrenabwehr oder die Verhinderung von Meeresverschmutzung.  

„Express M“ fährt unter der Flagge Panamas, die gemäß der Pariser Vereinbarung als graue Flagge eingestuft wird. Bis ein vollständiges Verbot von Lebendtiertransporten auf hoher See ausgesprochen wird, muss die EU mindestens Schiffe, die unter schwarzer und grauer Flagge fahren, verbieten. Sie sind ein Risiko für Tiere, Besatzung und Umwelt.  

Die EU-Entscheidungsträger haben es in der Hand, die Transportverordnung so umzusetzen, dass Tiere nicht mehr weiter leiden müssen.