19. Juni 2020

Erstmals in EU-Geschichte: Untersuchungsausschuss zu Tiertransporten

Vorschau Presseinformation: Seite 1/2

Freiburg, Zürich, 19.6.2020. Verstösse gegen die EU-Tierschutztransportverordnung sind jetzt Inhalt eines EU-Untersuchungsausschusses. Geprüft wird das Verhalten der EU-Kommission und der EU-Mitgliedsstaaten hinsichtlich der rechtlichen Vorgaben und der Überwachung von Tiertransporten innerhalb der EU und bei Tierexporten aus der EU in Drittstaaten. «Es ist höchste Zeit, dass die Kommission als Hüterin der Verträge und die Mitgliedsstaaten als verantwortliche Kontrollinstanz bei der Durchführung von Tiertransporten in die Pflicht genommen werden», freut sich Iris Baumgärtner, Projektleitung Tiertransporte bei der Animal Welfare Foundation (AWF). Seit Jahren legen europäische Tierschutzorganisationen Dokumente vor, die von eklatanten Missständen berichten. «Es gibt eine Vielzahl systematischer Verstösse, die seit Jahren bekannt sind», kritisiert Iris Baumgärtner. «Gerade bei Tierexporten hört jegliche Kontrolle an den EU-Aussengrenzen auf.» Jetzt haben 605 von 689 Abgeordneten des Europaparlaments dem Untersuchungsausschuss zugestimmt. Ein starkes Signal für mehr Tierschutz auf Tiertransporten.

Die Animal Welfare Foundation legt seit 2010 regelmässig Berichte über Verstösse bei Tiertransporten vor. In einem im Jahr 2016 veröffentlichten Dossier «Tiertransporte in die Türkei» berichtet die AWF über insgesamt 352 Tiertransportkontrollen an 93 Einsatztagen mit 247 Verstössen gegen die Tierschutztransportverordnung. Iris Baumgärtner kritisiert, dass «70 % der von uns kontrollierten Tiertransporter Verstösse aufwiesen, die betroffenen Mitgliedsstaaten jedoch nur 2 % meldeten. Das zeigt, wie lückenhaft und unbrauchbar die bisherigen staatlichen Kontrollen funktionieren.» Weitere Kontrollen in den Folgejahren an den EU-Aussengrenzen zeigten, dass weder die EU-Kommission noch die Mitgliedsstaaten die Einhaltung der Tierschutztransportverordnung sichern konnten.

Gravierend sind die Tierschutzprobleme auch bei Tierexporten per Schiff aus der EU in Drittstaaten zum Beispiel in Nordafrika und den Nahen Osten. «Bereits 2017 haben wir hierzu der EU-Kommission und den betroffenen Mitgliedsstaaten eine umfassende Recherche vorgelegt,» berichtet Iris Baumgärtner. So werden in der EU völlig veraltete, umgerüstete Autofähren eingesetzt für den Tiertransport. Die Schiffe sind im Durchschnitt 35 Jahre alt, manche deutlich über 50 Jahre und dürften wegen der Verletzungsgefahren und unzureichenden Standards größtenteils

Keine Genehmigung für den Transport von Tieren haben. «Fachleute haben uns bestätigt, dass solche Schiffe ausgemustert werden müssten und für normalen Warentransport nicht mehr eingesetzt würden. Um Tiere jedoch so billig wie möglich in Drittstaaten zu verfrachten, geht man das Risiko von Havarien bewusst ein.» In einem aktuellen Auditbericht der EU-Kommission werden die mangelhafte Infrastruktur und Überwachung der Transporte bestätigt.

Im Fokus der heute vom EU-Parlament beschlossenen Untersuchung muss auch die Zulassungspraxis von Tiertransportschiffen wie auch von -fahrzeugen stehen, fordert die AWF. «Als Transporteur hat man heute 26 EU-Staaten zur Auswahl für die Genehmigung eines Schiffes oder Transportfahrzeuges. Das Ergebnis zeigt sich in den Schrottschiffen und mangelhaften Tiertransportfahrzeugen zu Lasten der Tiere», ärgert sich Iris Baumgärtner. Im Zuge der Untersuchungskommission und der ebenfalls von EU-Kommission, EU-Rat und Parlament beschlossenen Überarbeitung der Tierschutztransportverordnung fordert die AWF darüber hinaus einen Stopp für Lebendtierexporte aus der EU in Drittstaaten.

Presseinformation herunterladen