23. März 2023

Galgenfrist bis 2025 für Blutfarmen in Island?

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Tierschutzorganisationen, Wirtschafts- und Tourismusfachleute fordern ein Ende für isländische Blutfarmen

Freiburg, 23.3.2023. In einem Dokumentarfilm der deutschen Tierschutzorganisation Animal Welfare Foundation (AWF) und des Tierschutzbund Zürich (TSB) kritisieren Fachleute aus Wirtschaft, Tourismus, Zuchtverbänden und Forschung die Gewinnung und den Einsatz des Bluthormons PMSG. Das Fruchtbarkeitshormon wird seit über 40 Jahren vor allem in der industriellen Ferkelproduktion eingesetzt. Für Professor Axel Wehrend, Reproduktionsmediziner an der Justus-Liebig-Universität in Gießen, ist der Einsatz des Hormons PMSG nicht mehr zeitgemäß. „Die Programme, die heute in der Ferkelproduktion verwendet werden, gehen vor allem auf Forschung in der ehemaligen DDR zurück. In dieser Zeit ging die Ferkelproduktion vom Familienbetrieb in die industrialisierte Produktion über.“ Jóhannes Þór Skúlason, Direktor des isländischen Tourismusverbandes, sieht in der Blutgewinnung einen Schaden für das Image Islands als Pferdeland und damit für den Tourismussektor. Gunnar Sturluson, Präsident des Internationalen Islandpferde-Züchterverbandes FEIF fordert ein Produktionsverbot für PMSG.

66 Prozent der isländischen Bevölkerung seien gegen die Gewinnung von PMSG in Blutfarmen, so eine öffentliche Umfrage vom Dezember 2021. Ausgelöst wurde die Debatte durch den Film „Island – Land der 5.000 Blutstuten“, der ersten Reportage von AWF und TSB im Winter 2021. Der neue Film „Island – das verborgene Blutgeschäft“ schaut mit zeitlichem Abstand auf die aktuellen Entwicklungen des Blutgeschäftes. AWF und TSB versuchen mit Befürwortern und Gegnern ins Gespräch zu kommen. „Die Blutfarmer verstecken sich mehr und mehr und es hat sich eine Mauer des Schweigens aufgebaut“, fasst Sabrina Gurtner, AWF-Projektleiterin ihre Erfahrungen anlässlich ihres Aufenthaltes in Island vom August 2022 zusammen.

Lediglich Sigurborg Daðadóttir, Chefveterinärin der Aufsichtsbehörde MAST, ist zu einem Gespräch bereit. Sie räumt ein: „Ich bezweifle, dass irgendjemand die in dem Video gezeigten Dinge getan hätte, wenn ein Inspektor zur Stelle gewesen wäre.“ Sie bestätigt auch, dass bisher „das Unternehmen Isteka selbst die Blutwerte gemessen hat“.

Arnthor Gudlaugsson, Manager des Pharmaunternehmens Isteka, war zu keiner Stellungnahme bereit. Im Jahresbericht 2022 seines Unternehmens berichtet er von Einbußen im Geschäft. “Die Blutmenge, die in diesem Jahr gesammelt wurde, lag um ein Viertel niedriger als 2021 (...) eine Ursache für die Reduzierung wird in der schwierigen Besetzung im Kreise der Tierärzte gesehen, aber die Flexibilität anderer Tierärzte und die Beschäftigung ausländischer Tierärzte haben verhindert, dass ein größerer Schaden angerichtet wurde ...”.

Die isländische Regierung hat mit einer neuen Verordnung festgelegt, dass 2025 über die Zukunft des Blutgeschäfts entschieden werden soll. Bis dahin will man die notwendigen Daten sammeln. Aber auch im Entstehen der Verordnung wurde deutlich, welchem Druck die Regierung seitens des Pharmaunternehmens Isteka ausgesetzt ist. So enthielt der Entwurf der Verordnung eine Reduktion der Häufigkeit der Blutentnahmen von acht auf sechs Mal pro Trächtigkeit. In der jetzt gültigen Verordnung ist die von Isteka geforderte Anzahl von bis zu acht Blutentnahmen wieder enthalten.
„Das Einzige, was die Verordnung bewirkt, ist die Legalisierung der Vorgänge, wie sie in den vergangenen Jahren durchgeführt wurden. Es bedarf nun einer Genehmigung, das ist alles. Für die Tiere verändert sich nichts“, kritisiert Björn Sigurjónsson, Jurist und Mitbegründer der neuen isländischen Tierschutzorganisation Animal Welfare Iceland, die Regierung.

„Es kommt fast nie vor, aber ausländische Lobbygruppen wie Schaf- und Schweinezüchter aus Frankreich, Spanien, Italien und weiteren Ländern haben Stellungnahmen zum Gesetzesantrag eingereicht, weil sie dagegen waren. So etwas kommt sonst nie vor in einem so kleinen Land und es belegt das Ausmaß der Problematik“, berichtet Inga Sæland, Mitglied des isländischen Parlaments.

In der EU, Absatzgebiet für das isländische Bluthormon PMSG, formiert sich seit Jahren Widerstand gegen den Import und den Einsatz des Bluthormons. So beendete 2022 das Thüringische Haflingergestüt Meura seine Produktion, stoppte das argentinische Pharmaunternehmen Syntex S.A. bis auf weiteres den Vertrieb seines PMSG-Präparates Fixplan. Auch das Europäische Parlament unterstützt die Forderung nach einem Verbot für PMSG. Tilly Metz, Vorsitzende der Arbeitsgruppe für Tierschutz des Europäischen Parlaments, betont: „Es ist enorm wichtig, diese Filmaufnahmen zu haben und sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, und uns sowohl für einen Produktionsstopp als auch für ein Importverbot von PMSG einzusetzen.“

Zum Dokumentarfilm

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