16. Juli 2020

Presseinformation: Pferdefleisch aus Qualproduktion in Australien

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Bundesrat setzt auf Selbstkontrolle der Pferdefleischimporteure

Tierschutzbund Zürich: «Das ist nicht zu rechtfertigen»

Der Tierschutzbund Zürich (TSB) erhebt massive Vorwürfe gegen den Bundesrat. In seiner Antwort auf eine Interpellation von Nationalrat Jacques Bourgeois (FDP) zu Misshandlungen von Pferden im australischen Schlachthof Meramist verweist der Bundesrat auf die Selbstverantwortung der Importeure und das bilaterale Landwirtschaftsabkommen mit der EU. «Mit welcher Leichtigkeit der Bundesrat die staatliche Souveränität an die Importeure abgibt, ist nicht zu rechtfertigen», erklärt York Ditfurth, Präsident des Tierschutzbundes Zürich. Der Tierschutzbund fordert den Bundesrat auf, sich auf allen Ebenen für einen Importstopp für Pferdefleisch aus Qualproduktion einzusetzen. «Wohin Selbstkontrolle in der Fleischbranche führt, zeigt der aktuelle Fall Tönnies in Deutschland», unterstreicht York Ditfurth.

In der RTS-Sendung «Mise au Point» vom 16. Februar 2020 wurden Filmausschnitte einer zweijährigen Recherche veröffentlicht, die unvorstellbare Quälereien im derzeit einzigen Export-Schlachthof für Pferde in Australien belegen. Es wird gezeigt, wie Pferde mit Stromschlägen getrieben werden, wie Arbeiter die Pferde prügeln und nicht korrekt betäubte Pferde zum Entbluten aufgehängt werden. «Die Aussage des Bundesrates, dass Australien wie die Schweiz über strenge Vorschriften hinsichtlich des Tierschutzes beim Schlachten verfügt, ist nicht korrekt», kritisiert Sabrina Gurtner, Projektleiterin Pferdefleischimporte beim TSB Zürich. Ein vergleichender Blick in die Tierschutzvorschriften für Tiertransporte und Schlachtung in Australien und der EU zeigt gravierende Unterschiede.

So gelten Pferdetransporte in Australien erst ab 24 Stunden als Langstreckentransporte mit Versorgungsauflagen für die Tiere. In der EU ist das bereits ab acht Stunden verbindlich. «Die eingesetzten Fahrzeuge sind offene Rindertransporter. Die Pferde stehen nicht in Einzelständen geschützt, wie in der EU für Transporte über acht Stunden vorgeschrieben, sondern in Grossgruppen unter freiem Himmel. Sie sind Hitze, Wind und Regenstürmen ausgesetzt. Es kommt zu Stress und Rangkämpfen. Immer wieder werden beim Entladen im Schlachthof tote Tiere von den Transportern gezogen», beschreibt Sabrina Gurtner die Situation vor Ort. Auch die Schlachtverordnung in Australien liegt weit unterhalb der EU-Standards. So ist der Einsatz von Elektrotreibern nicht verboten. Laufunfähige Tiere müssen nicht an Ort und Stelle getötet werden. Es ist nicht vorgeschrieben, dass bei der Betäubung ein geladenes Ersatz-Bolzenschussgerät zur Verfügung steht. Auch gibt es keine verbindlichen Vorgaben für die Fütterung der Tiere im Schlachthof. «Wir haben im März 2020 im Schlachthof Meramist filmen können, wie von langen Transporten erschöpfte Pferde über 24 Stunden weder Futter noch Einstreu bekamen», berichtet Sabrina Gurtner.

In seiner Stellungnahme verweist der Bundesrat auf den Bericht einer australischen Untersuchungskommission. «Der umfangreiche Kommissionsbericht, der dem BLV vorliegt, gibt mehrere Empfehlungen ab. Die Veterinärbehörden Australiens nehmen die Problematik ernst und haben verschiedene Massnahmen verfügt und umgesetzt. Insbesondere wird die Überwachung und Kontrolle der Schlachtbetriebe verstärkt.» Der Kommissionsbericht, der dem TSB Zürich vorliegt, hält jedoch eindeutig fest, dass die australischen Tierschutzvorschriften für Transport und Schlachtung unter den internationalen Standards der EU und OIE liegen und überarbeitet werden sollten. Das ignoriert der Bundesrat. Der TSB Zürich fordert vom Bundesrat, dass er den Import von Pferdefleisch aus Qualproduktion solange verbietet, bis die rechtsverbindlichen Standards in Australien auf das Niveau der EU und Schweiz angehoben sind.

Im australischen Schlachthof Meramist werden Pferde systematisch gequält. Das zeigen die Ergebnisse der zweijährigen Recherche. An 22 Tagen innerhalb von zwei Jahren zeichneten im Schlachthof installierte Kameras aus bis zu acht Blickwinkeln den Schlachtprozess auf. Die Aufnahmen zeigen neben den massiven Tierquälereien auch, dass überwiegend Pferde aus der Rennindustrie geschlachtet werden. «Damit besteht ein stark erhöhtes Risiko für Medikamentenrückstände im Pferdefleisch», so Sabrina Gurtner. Rennpferde erhalten in der Regel Medikamente wie den Entzündungshemmer Phenylbutazon. Ein Wirkstoff, der in der EU und der Schweiz verboten ist bei Tieren, die für den menschlichen Verzehr geschlachtet werden. «Da es in Australien keine verlässliche Rückverfolgbarkeit der Pferde gibt und lediglich der letzte Besitzer Auskunft über die Herkunft und Medikamentenabgabe erteilt, klafft hier eine grosse Sicherheitslücke», kritisiert Sabrina Gurtner. Ein Bericht des australischen Parlaments weist ausdrücklich auf diese Problematik hin und fordert eine nationale Datenbank zur Rückverfolgbarkeit von Pferden. «Wer in diesem Umfeld auf die Selbstverantwortung und -kontrolle der Importeure und Verteiler setzt, ignoriert die völlig unzureichenden gesetzlichen Rahmenbedingungen zu Tierschutz und Rückverfolgbarkeit in Australien», kritisiert York Ditfurth den Bundesrat. «Seit sieben Jahren versprechen die Importeure, dass sie durch Audits und Handbücher die bekannten Probleme in den Griff bekommen würden, doch wesentliche Veränderungen haben sie nicht erreicht», konstatiert Sabrina Gurtner und fordert den Bundesrat auf, zu handeln.