17. Juni 2022

BLV - Zehn Jahre erfolgloses Bemühen, Lebensmittel-Grossist Aligro stellt sich taub

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Kriminelle Herkunft: Pferdefleisch aus Südamerika


Tierschutzbund Zürich fordert Importstopp für Pferde-Qualfleisch

Zürich, 17.6.2022. Seit zehn Jahren konfrontiert der Tierschutzbund Zürich (TSB) das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) sowie die Detail- und Grosshändler über Pferdefleisch aus Qualproduktion in Übersee. Die Detailhändler Migros, Coop, Volg, Aldi und Denner fanden die Beweislast der Tierquälerei so erdrückend, dass sie ihre Importe gestoppt haben. Ganz anders das BLV und Grossisten wie Aligro. «Seit zehn Jahren antwortet uns das BLV mit den immer gleichen Inhalten: Man sei im Gespräch mit der EU und den Behörden vor Ort. Im Alleingang könne man keinen Importstopp verhängen», zitiert Sabrina Gurtner, TSB-Projektleiterin, das BLV. «Es hat sich zehn Jahre nichts verändert in den südamerikanischen Schlachthöfen und deren Lieferketten. Dafür gibt es triftige Gründe. Mafiöse Verbrecherbanden nutzen das Pferdegeschäft vor Ort für ihre Geschäfte», so Sabrina Gurtner. «Es geht u. a. um Geldwäsche und Steuerhinterziehung. Die Leidtragenden sind die Pferde und die Besitzer, deren Pferde gestohlen und zum Schlachten verkauft werden.»

Aktuell im Februar 2022 führte die argentinische Polizei Razzien bei einer Pferdesammelstelle und im Schlachthof Lamar nahe Buenos Aires durch. Bei den Razzien beschlagnahmte sie neben 144 Pferden in schlechtem Gesundheitszustand auch gefälschte Transportpapiere, Waffen, Munition, Bargeld und Tiertransportfahrzeuge. Der Bericht der Staatsanwaltschaft führt an, dass es sich um eine grosse Anzahl von Pferden unbekannter und z. T. illegaler Herkunft handelt. Die Pferde waren für den Schlachthof Lamar bestimmt. Dieser beliefert die EU und die Schweiz. «Zur Tierquälerei kommt somit auch mangelnder Verbraucherschutz hinzu. Ohne Herkunftsnachweis ist bei jedem einzelnen Tier unklar, ob es mit Medikamentenrückständen angeliefert wird», kritisiert Sabrina Gurtner. So müsste jedes Kilo Fleisch, das in die EU und Schweiz importiert wird, aufwändig auf Medikamentenrückstände überprüft werden. Das ist bei weitem nicht der Fall. Tatsächlich macht das BLV nur einige wenige Stichproben (2020: 6 / 2021: 10) auf bestimmte Medikamente und verlässt sich auf die Kontrollen im Exportland.  «Neben unerträglichem Pferdeleid wird so auch ein Risiko für die Verbraucher in Kauf genommen», kritisiert Sabrina Gurtner.

Der TSB hat das BLV im März dieses Jahres auch über den aktuellen Fall unterrichtet. «Betreffend Massnahmen vor Ort in Argentinien waren wir in Kontakt mit unserer Botschaft vor Ort. Gemäss derer Einschätzung wurden die Untersuchungen von SENASA (arg. Gesundheitsbehörde, Anm. Red.) initiiert, was als positives Signal gewertet werden kann (…)», antwortete das BLV im Mai. Man hatte auch «einen weiteren Austausch mit

unseren Kollegen in Brüssel. Sie haben ein grosses Interesse an einer strukturierten Zusammenarbeit im Bereich Tierschutz signalisiert, (…). Wir begrüssen eine derartige Zusammenarbeit ebenfalls, so können wir auch unser Engagement in multilateralen Organisationen verstärken.»

Der Langmut des BLV ist für den TSB nicht akzeptabel. Zumal gerade die SENASA seit Jahren immer wieder der Beteiligung an Unregelmässigkeiten überführt wurde. Aktuell berichtet der argentinische Anwalt des TSB, «dass der bisherige Direktor für Rechtsangelegenheiten bei der SENASA, Agustín Medrano, in die Provinz versetzt wurde. Sein Engagement gegen mafiöse Strukturen und für mehr Tierschutz im aktuellen Fall wurde ihm zum Verhängnis.»

Das BLV, so die Kritik des TSB, versteckt sich hinter der EU und verlässt sich auf die Selbstkontrolle der Importeure. Die TSB-Recherchen zeigen, dass sich die Situation in den Produktionsländern trotz der Massnahmen der Importeure (Handbücher, Audits, SGS-Zertifizierungen, Videoüberwachung, usw.) nicht verbessert hat. «Im Gegenteil. Kontrollen unserer Teams vor Ort zeigen, dass die Importeure mit ihren Audits ‘Greenwashing’ betreiben», berichtet Sabrina Gurtner.

Die Verbrauchertäuschung ist kreativ organisiert. Die sogenannten Audits werden auf der Marketing-Plattform Respectful Life veröffentlicht. Einer Plattform, die von den europäischen und Schweizer Importeuren und den Schlachthofbetreibern in Übersee finanziert wird. TSB-Recherchen belegen, dass die Schlachthöfe Audits zu ihren Gunsten manipulieren. So sind zum Zeitpunkt der Überprüfung wenige und nur solche Pferde vor Ort, die gesund sind. Das bestätigen auch Auditberichte der EU-Kommission. «Das Hauptleid spielt sich zwischen den Audits ab. Dann finden wir kranke, verletzte und tote Tiere bei den Schlachthöfen und in den Sammelstellen», weiss Sabrina Gurtner als Augenzeugin zu berichten. «Die angepriesene Videoüberwachung ist Augenwischerei. Sie erfasst weder die Schlachthofweiden noch die Sammelstellen und Transporte.»

Der Schweizer Grossist Aligro mit 14 Standorten und 1'000 Mitarbeiter*innen verkauft sein Pferdefleisch aus Argentinien mit dem Marketing-Logo Respectful Life, obwohl ihm die Hintergründe der Pferdefleischproduktion in Südamerika bekannt sind. «Seit 2019 schicken wir Aligro jedes Jahr Informationen über die Pferdefleischproduktion in Übersee. Das Schweizer Familienunternehmen stellt sich taub. Bis heute warten wir auf eine Antwort und Erklärung, wie sie zum Tierschutz stehen und was sie für einen effektiven Schutz ihrer Kunden unternehmen», kritisiert Sabrina Gurtner.

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